Die Macht der Begeisterung

Was ist Kultur?

Eine Fol­ge von Events? Ein Wirt­schafts­zweig? Das Pro­dukt einer poten­ten Unterhaltungsindustrie?
Zu alle­dem ist sie gewor­den. Ihr Wesen aber ist es nicht. Ursprüng­lich ist Kul­tur ein kul­ti­sches Gesche­hen. Sie öff­net Räu­me für den Geist: Gewächs­häu­ser, in denen ech­te Mensch­lich­keit gedei­hen kann. Das Wesen der Kul­tur ist die Begeisterung. 
Begeis­te­rung ist Ener­gie. Wer Men­schen zu begeis­tern weiß, ver­mag sie auch zu ener­ge­ti­sie­ren. Kul­tur ist so gese­hen eine kost­ba­re Res­sour­ce. Sie lie­fert unse­rer Mensch­lich­keit den Brenn­stoff. Da, wo sie wal­tet, bren­nen wir nicht aus; da, wo sie sich ereig­net, sind wir eigent­lich leben­dig. Denn sie befä­higt uns, ein­an­der zu ver­ste­hen und in der Tie­fe unse­res Lebens Sinn zu fin­den. Sie beschenkt uns mit der Mög­lich­keit, uns mit­zu­tei­len und uns zu bekun­den. Sie stif­tet unse­re Iden­ti­tät. Sie hält ein Men­schen­tum im inners­ten zusammen.
Kul­tur ist eine Macht. Sie ist das Fun­da­ment von Zivi­li­sa­tio­nen. Das gegen­wär­ti­ge Euro­pa droht nicht zuletzt des­halb aus­ein­an­der­zu­fal­len, weil die euro­päi­sche Poli­tik es ver­säumt hat, Euro­pa als Kul­tur­raum zu ent­fal­ten. Statt­des­sen hat man aus Euro­pa einen Markt gemacht. Dass die­ser Kon­ti­nent trotz­dem noch immer in sich Eines ist, ver­dankt sich der gemein­sa­men, ver­bin­den­den Kul­tur. Dar­in erscheint die Macht die­ser Kul­tur. Sie bekun­det den gemein­sa­men euro­päi­schen Geist, der wie ein Zen­tral­ge­stirn die ein­zel­nen Völ­ker Euro­pas um sich sammelt.
Die Macht einer Kul­tur grün­det dar­in, Wer­ke her­vor­zu­brin­gen, die begeis­tern und ver­bin­den. Dafür braucht sie geschütz­te Räu­me und Zei­ten. Sie braucht Fes­te und Fei­ern, bei denen sie sich erneu­ern und befeu­ern kann. Sie braucht die Begeg­nung von Men­schen, die sich offe­nen Her­zens und offe­nen Sin­nes dem Zuspruch und Anspruch der Kul­tur aus­lie­fern – und ihre Ver­ant­wor­tung dar­in erken­nen, mit ihrem per­sön­li­chen, poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Tun die­sem Anspruch Ant­wort zu geben. Sie braucht – und ver­dient – ein anspruchs­vol­les Publikum.
Ein anspruchs­vol­les Publi­kum wird dafür Sor­ge tra­gen, dass die Macht der Kul­tur nicht von den Mäch­ti­gen ver­ein­nahmt wird. Es wird sich nicht zum Kon­su­men­ten kul­tur­in­dus­tri­ell ver­fer­tig­ter Waren kon­ver­tie­ren las­sen, son­dern sich ein­las­sen auf die gro­ße Kon­ver­sa­ti­on des Geis­tes, die sich dort zuträgt, wo Kul­tur leben­dig ist.