Ich habe Respekt vor Alexis Tsipras. Eines hat er all den Dijsselbloems, den Schäubles und Lagardes voraus: Der Mann hat Mut. Er hat den Mut, die Grundprinzipien der Demokratie hochzuhalten: wenn’s hart auf hart kommt, den Souverän zu befragen – das Volk; auf das Risiko hin, seine Macht einzubüßen; mit der Chuzpe, die eigene Meinung klar und vernehmlich auszusprechen. Alles Dinge, die man Kindern auf der Schule als demokratische Tugenden beibringt. Die aber offenbar nichts mehr wert sind, wenn’s um die »echte Politik« geht – die, die nichts mehr mit Politik zu tun hat.
Die Idee der Politik jedenfalls – so wie sie in Athen erfunden wurde, nicht in Brüssel – war einmal, dass eine Bürgerschaft gemeinschaftlich und in Freiheit darüber diskutiert und befindet, wie sie ihr Gemeinwesen organisieren will. Heute ist an die Stelle der Politik ein Apparat getreten – und an die Stelle der Demokratie die Expertokratie. Denn wer befindet über die Zukunft Griechenlands und Europas? Die nicht demokratisch legitimierten Apparatschiks der EZB und die Experten im Tross der nicht demokratischen legitimierten IWF-Chefin. Das aber ist das Ende des Politischen. Tsipras hat das erkannt. Sein Schicksal ist es, an die Demokratie zu glauben. In einer Umgebung, die sich zwar vollmundig zur Demokratie bekennt, da wo sie in einem Referendum erprobt werden soll, aber von »Zockerei« und »Zickzackkurs« schwadroniert, hat er es wahrlich nicht leicht. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es am Ende er sein wird, der in die Geschichtsbücher eingehen wird.