Feuerwerk – Gebete am Himmel

Ich lie­be Feu­er­wer­ke – die­sen irr­sin­ni­gen bun­ten Ster­nen­tanz am Nacht­him­mel, die spru­deln­den Licht­fon­tä­nen, die über­bor­den­den Fun­ken­kas­ka­den, die bei som­mer­li­chen Stadt­fes­ten von Brü­cken hin­ab in loka­le Gewäs­ser gestürzt wer­den. Ja, im Ernst und ohne Scham: Ich lie­be Feu­er­wer­ke. Dies ist ein auf­rich­ti­ges Bekennt­nis. Denn, ach, es ist eine unglück­li­che Lie­be – schlim­mer noch: Es ist eine ver­bo­te­ne Lie­be. Ver­bo­ten von mei­nem Öko-Gewissen,·denn ich weiß ja doch, welch über­flüs­si­ge Co2-Saue­rei da ver­an­stal­tet wird. Wer ein­mal in einer Sil­ves­ter­nacht über sei­ner Stadt die mit­ter­nächt­li­che Smog­wol­ke gese­hen oder gar geat­met hat, weiß, wovon ich rede.

Sil­ves­ter – davon woll­te ich erzäh­len. Denn an Sil­ves­ter steht es um mei­ne heim­lich-ver­bo­te­ne Lie­be am schlimms­ten. Natür­lich ist es groß­ar­tig, zu mit­ter­nächt­li­cher Stun­de an einem Aus­sichts­punkt zu ste­hen und den orgi­as­ti­schen Lich­terrei­gen zu bestau­nen. Aber jedes Mal tra­ge ich inne­re Kämp­fe aus, ob ich die­ses Jahr nicht doch ein­mal einen eige­nen Satz Rake­ten kau­fe – es wäre doch so schön. Aber dann geht mir immer die­ser Slo­gan »Brot statt Böl­ler« durch den Sinn- und zusätz­lich zum Öko-Gewis­sen regt sich auch noch der mora­li­sche Wäch­ter. Also blei­ben die Rake­ten auf dem gro­ßen Tisch im Bau­markt lie­gen, wäh­rend die 100 Euro für einen guten Zweck gespen­det wer­den. 

So wird es auch die­ses Jahr wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren.

Nur mit einer Fla­sche Sekt und einem Tüt­chen Wun­der­ker­zen stie­gen mei­ne Frau und ich hin­auf zum städ­ti­schen Aus­sichts­berg. Die Glo­cken läu­te­ten, die Sekt­kor­ken knall­ten, die jäm­mer­li­chen Wun­der­ker­zen wur­den ent­zün­det. Passt schon, dach­te ich und freu­te mich an dem all­ge­mei­nen Lich­ter-Spek­ta­kel, schiel­te dabei aber doch ein wenig nei­disch auf die hek­tisch-wuse­li­gen Ra­ketenanzünder rings­um.

Dabei fiel mir etwas abseits ein jun­ger Mann auf, der gera­de­zu andachts­voll und frei von Hek­tik nach und nach sei­ne Rake­ten in den Nacht­him­mel feu­er­te. Was mei­ne Neu­gier weck­te, war, dass er sich vor jeder Rake­te ver­beug­te, bevor er sie auf ihren letz­ten und ein­zi­gen Flug schick­te. Also trat ich näher. Als er mich bemerk­te, dreh­te er sich kaum zu mir um: »Sie schei­nen über­rascht«, sag­te er. Und als mir nichts Bes­se­res als ein knap­pes »Ja, schon« ein­fiel, fuhr er fort: »Ich schrei­be Gebe­te an den Him­mel.«

Ich muss ziem­lich blö­de geglotzt haben, jeden­falls sah er sich bemü­ßigt hin­zu­zu­fü­gen: »Mit mei­ner Lichterschrift dan­ke ich dem Him­mel für mein Leben. Das Feu­er­werk ist ein Gleich­nis. Wie das Leben kommt es aus dem Nichts, es leuch­tet auf – und es ver­lischt. Und wenn’s gut geht, berei­tet es denen, die es sehen, eine Freu­de. Und das ist mein Wunsch fürs neue Jahr.« Ich war per­plex: Die­ser Mann hat­te mir aus der See­le gespro­chen. Irgend­wie hat­te ich so etwas auch immer schon gedacht, aber ich war nie auf die Idee gekom­men, ein Feu­er­werk als Gebet zu dekla­rie­ren. Ich pros­te­te ihm noch rasch zu, bevor er sich dem nächs­ten Start zuwand­te.

Als ich mei­ner Frau auf dem Heim­weg davon erzähl­te, lächel­te sie. Da war mir klar, dass ich nächs­tes Jahr mei­ne 100 Euro spen­den wer­de und mir außer­dem 1‑A Set Prunk Feu­er­werk kau­fen wer­de – vor­aus­ge­setzt, wir bekom­men nicht auf Dau­er ein all­ge­mei­nes Feuerwerks-Verbot.