Durch ihre Berichterstattung spielen die Medien den Terroristen in die Hände. Das muss ein Ende haben.
Ich will nicht wissen, wie er heißt. Ich will auch sein Bild nicht mehr sehen. Oft genug hat er mich von den Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und den Titelblättern der großen Zeitungen angegrinst: er, dieser Drahtzieher der Terroranschläge von Paris; er, der etliche Dutzend Menschenleben auf dem Gewissen hat; er, dem sie jetzt posthum ein Denkmal nach dem anderen setzen.
Ich möchte wissen, wie die Toten heißen. Ich möchte ihre Bilder sehen, möchte sie vor mir haben, um ihrer zu gedenken.
Im Dogenpalast zu Venedig ziert eine Reihe von Porträts den großen Ratssaal. All die Dogen der Vergangenheit sind dort abgebildet. Nur einer fehlt. Dessen Bildnis ist geschwärzt. Dessen Name ist getilgt. Der Mann hat der Republik geschadet. Ihn aus den Annalen zu streichen, schien den Bürgern von einst eine angemessene Maßnahme. Ich wünschte, auch wir hätten die Klugheit der alten Venezier.
Aber nein, unsere Medien bringen das Bildnis des grinsenden Terroristen und seinen Gefolgsleuten wo sie nur können. Wem je nach Ruhm und Medienpräsenz der Sinn stand, weiß nun, was er zu tun hat. Der Weg – zumindest ein Weg – auf die Titelseiten ist mit Blut getränkt. Als Schlächter macht man dicke Quote. So pervers sind wir inzwischen: Wir töten die Toten ein zweites Mal. Schluss damit!
Ich appelliere eindringlich an die deutschen Medien, mit diesem Unfug aufzuhören. Hier geht es nicht um Informationspflicht. Niemand muss wissen, wie der Terrorist aussieht, niemand muss wissen, wie er heißt. Zumindest jetzt nicht, da er tot ist. Er soll ein anständiges Begräbnis erhalten. Es reicht, ihn bei diesem Anlass einmal beim Namen zu nennen, vielleicht auch einmal sein Bild zu zeigen – aus Pietät und Menschlichkeit; ganz sicher aber nicht, um ihn auf ein Podest zu stellen, zu dem die Dschihadistenjugend aufblickt. Das darf nicht sein.
In solchen Zeiten sollten unsere Medien den Terroristen die Aufmerksamkeit entziehen, nach der sie so sehr gieren. Ihre Taten sind schlimm genug, da müssen wir uns nicht noch lange mit ihrer Person aufhalten. Es ist ein Signal in die falsche Richtung. Es verrät eine gefährliche Ignoranz der Medienmacher – eine Unfähigkeit, sich auf die Bedrohung des Islamismus einzustellen und darauf zu reagieren. Stattdessen macht man mit beim allgemeinen „Weiter so!“ Hauptsache die Quote stimmt, Hauptsache man kann den Text bebildern. Hier wären Nachdenken und Sensibilität gefragt, statt dem Üblicherweise zu frönen.
Die Medien müssen umlernen. Sie sollten überdenken, wem sie ihre Aufmerksamkeit und damit Energie zuwenden. Sie sollten nicht länger ihren Informationsauftrag dafür missbrauchen, einen Journalismus zu üben, der den Terroristen in die Hände spielt. Schweigen ist eine journalistische Tugend. Es kann auch eine Waffe sein. Als solche sollten wir die Tugend des Verschweigens neu erlernen.