Medialer Kamikaze-Trip

Wir ver­beu­gen uns vor denen, die unse­re Moral verachten
Auf­merk­sam­keit ist eine end­li­che Res­sour­ce. Ein jeder ver­fügt nur über ein bestimm­tes Quan­tum. Des­halb ist man gut bera­ten, eine gewis­se Sorg­falt dar­auf zu ver­wen­den, wem man sei­ne Auf­merk­sam­keit schenkt. Denn dem Gegen­stand unse­rer Auf­merk­sam­keit räu­men wir Ein­fluss auf uns ein. Und wem wir Ein­fluss über uns ein­räu­men, gewäh­ren wir Macht und Energie. 
Wem wird in die­sem Lan­de Macht und Ener­gie gewährt? Wem schen­ken wir unse­re Auf­merk­sam­keit? Denen, die ihrer bedürf­ten – z.B. den Opfern von Ter­ror und Gewalt? Weit gefehlt: Wir machen einen Knie­fall vor den ande­ren – den Tätern und den Skru­pel­lo­sen; denen die uns und unse­re Kul­tur ver­höh­nen; denen, die unse­re Moral mit Füßen tre­ten; denen, von denen jeder fein­sin­ni­ge Mensch nichts wis­sen will.
Bea­te Z ist eine mut­maß­li­che Ter­ro­ris­tin. Seit Mona­ten ver­höhnt sie den Rechts­staat und spot­tet aller unse­rer Wer­te. Das hin­dert die öffent­lich-recht­li­chen Fern­seh­an­stal­ten in die­sem Land aber nicht dar­an, die­ser Per­son die größt­mög­li­che Auf­merk­sam­keit zu gewäh­ren: eine 45-Minu­ten Doku im ZDF, ein drei­tei­li­ger Fern­seh­film, den die ARD im März auf Sen­dung schi­cken will. Und das wäh­rend eines lau­fen­den Gerichtsverfahrens.
So machen wir die Kräf­te stark, die unse­re Zivi­li­sa­ti­on und Moral zer­stö­ren wol­len. Es ist ein media­ler Kami­ka­ze-Trip, der dort mit unse­ren Rund­funk­ge­büh­ren ver­an­stal­tet wird. Denn ganz im Ernst: Was haben wir mit jener Frau zu schaf­fen? Die Ant­wort kann nur lau­ten: Nichts. Jedes Wort, das über sie ver­lo­ren wird, ist unnüt­zes Gere­de, allen­falls geeig­net, eine ober­fläch­li­che Empö­rungs­ma­schi­ne­rie zu ölen, die schon so weit per­ver­tiert ist, dass sie sich ihren Kick bei Nicht­wür­di­gen holen muss.
Anstatt denen die Reve­renz zu erwei­sen, die dem brau­nen Ter­ror zum Opfer fie­len, machen wir den gro­ßen Kotau vor den Tätern – um uns an ihrer Per­ver­si­on zu wei­den und die fade Lust des Sich-Empö­rens aus­zu­kos­ten. Viel bes­ser wäre es, die Sen­der näh­men ihren Bil­dungs­auf­trag Ernst und nähr­ten ihre Zuschau­er mit dem, was die­ses Land nun wirk­lich drin­gend braucht: Kul­tur und Schön­heit, Geist und Anstand, Lie­be und Moral. Doch offen­bar lässt sich mit Gutem kei­ne Quo­te machen. Es ist — ein Trauerspiel.
Chris­toph Quarch