es gibt nur ein Wort, das ich Ihnen heute zusprechen möchte: Danke. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Geduld, für Ihre Ausdauer, für Ihre Tapferkeit, für Ihren Mut, für Ihre Besonnenheit und für Ihr Vertrauen. Ich danke Ihnen, für den Einsatz und die Opfer, die Sie gebracht haben, damit wir heute, zwei Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in unserem Land, sagen können: „Wir haben Großes vollbracht.“ –
Aber nein, das ist nicht richtig. Die Wahrheit ist: Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie haben Großes vollbracht. Dass wir heute vergleichsweise gut dastehen, ist nicht das Verdienst meiner Regierung. Schon gar nicht ist es mein persönliches Verdienst. Es ist Ihr Verdienst. Es ist Ihr Verdienst, weil Sie mitgemacht und mitgeholfen haben, die Kontrolle über die Pandemie zurückzugewinnen. Wir haben sie noch nicht überwunden. Es kann wieder losgehen. Niemand weiß, was kommt, auch nicht die Wissenschaftler, die uns beraten. Aber wir wissen nun, dass wir keine Angst mehr vor dem haben müssen, was da kommen könnte. Denn Sie haben bewiesen, dass wir gemeinsam bestehen können: wenn wir zusammenhalten, wenn wir Rücksicht aufeinander nehmen, wenn einander unterstützen. Ich bin stolz auf Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich bin wirklich stolz auf Sie. Und Sie, Sie dürfen stolz auf sich sein. Ich danke Ihnen.
Niemand von uns hat diese Krise verursacht. Es hat keinen Sinn, irgendjemanden dafür beschuldigen zu wollen. Als Regierung haben wir unser Bestes gegeben, die richtigen Antworten auf sie zu geben. Mal ist es uns gelungen. Mal nicht. Diejenigen, die unter den von uns ergriffenen Maßnahmen leiden müssen, bitten wir um Vergebung: vor allem unsere Kinder und Jugendlichen, denen wir nicht nur ihre Bildung versagten, sondern denen wir zudem große Schuldenlasten aufbürden. Es nagt an mir, ihnen den Start ins Leben derart zu erschweren. Und es ist mein innigster Wunsch, unseren jungen Menschen am Ende doch noch eine Welt zu hinterlassen, in der sie gut und glücklich leben können.
Die Krise ist noch nicht vorbei. Nun stehen wir vor der Aufgabe, die Lasten, die durch unsere Maßnahmen entstanden sind, gerecht zu verteilen. Ebenso wie die Gewinne, die andere infolge dieser Krise erzielen konnten. Das Virus gibt uns die Chance zu begreifen, dass wir ohne Solidarität und Gerechtigkeit keine Zukunft haben werden. Jedem, der Augen hat zu sehen, zeigt sie, wie sehr er oder sie in Krisenzeiten auf den Beistand anderer angewiesen ist. Lassen Sie uns das nicht vergessen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Lassen Sie uns denen, die unverschuldet in wirtschaftliche Not geraten sind, freigiebig und großzügig unter die Arme greifen.
Das gilt nicht nur für unsere Landsleute, sondern auch für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Europa. Auch sie verdienen unseren Beistand – vor allem in den Ländern, die das Pech hatten, sehr viel stärker vom Virus heimgesucht zu werden als wir. Ich schäme mich dafür, dass ich in der Stunde der Not für das Leid unserer europäischen Nachbarn nicht empfindlich genug war. Wir hätten mehr für unsere Freundinnen und Freunde in Frankreich, Italien und Spanien tun können; ebenso für unsere Freunde in England und Russland, im Iran und in den USA, ja überall auf dieser Welt.
Wir hätten mehr für den europäischen Zusammenhalt investieren müssen – nicht nur innerhalb der EU, sondern auch über ihre Grenzen hinaus. Hier gibt es manches nachzuholen. Durch eine glückliche Fügung hat unser Land bald die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne. Wir werden dies nutzen, um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen und unser Europa stark zu machen: zu einem gesunden, resilienten, ökologischen Kontinent, in dem die Menschen miteinander und mit der lebendigen Natur in Eintracht und Frieden leben können.
Wir stehen vor großen Herausforderungen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Doch ich bin voller Zuversicht und Mut. Denn ich weiß, dass wir auf Sie zählen können – auch jetzt, wo einige von Ihnen ungeduldig werden und ihre Grundrechte einfordern. Das ist Ihr gutes Recht, vielleicht sogar Ihre Pflicht, wenn Sie wirklich an die Werte unseres Landes glauben. Es ist gut, dass Sie uns kritisch beäugen. Ich höre auf das, was Sie sagen. Ich werde mir meine Meinung bilden und nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Dessen dürfen Sie sicher sein. Aber auch ich bin nicht frei von Fehlern.
Ich bin hier, um Ihnen zu danken, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Noch einmal: Sie haben Großes geleistet. Und ich meine, Sie sollten das heute feiern – natürlich unter Achtung der Hygienemaßnahmen. Aber lassen Sie es sich nicht nehmen, heute ein Glas Ihres Lieblingsgetränkes auf sich und Ihre Lieben zu trinken, auf Ihre Freunde und Ihre Landsleute, auf die Kranken und auf die Geheilten, auf die Lebenden und die Toten – und auf eine gemeinsame Zukunft in einem friedlichen, gesunden und freundlichen Europa.
Bleiben Sie gesund und munter,
Ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel …
…. hätte diese Rede halten können. Da sie es aber nicht tat, haben wir sie an ihrer Stelle geschrieben.
Christoph Quarch & Christine Teufel