13. Es ist gut, auf die Wis­sen­schaft zu hören

Es gibt da eine Sache, die mich in Stau­nen ver­setzt. Ich beob­ach­te Men­schen in mei­nem Umfeld, die Zor­nes­wal­lun­gen an den Tag legen, wenn sie Leu­ten begeg­nen, die allen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen zum Trotz den Kli­ma­wan­del leug­nen. Und genau die­se Per­so­nen spra­chen bis vor Kur­zem im Blick auf die Aus­wei­tung der Coro­na-Pan­de­mie – allen Pro­gno­sen der Viro­lo­gen und Epi­de­mio­lo­gen zum Trotz – von Hys­te­rie und auf­ge­bausch­tem Medi­en­rum­mel. Es scheint, der Mensch der media­len Moder­ne neigt dazu, nur den­je­ni­gen Wissenschaftler(inne)n Glau­ben zu schen­ken, die sagen, was man selbst für rich­tig hält, sich wünscht oder erhofft – eine Hal­tung, die ger­ne mit dem Anfangs­ver­dacht begrün­det wird, es gebe ja ohne­hin kei­ne ver­läss­li­che Wahr­heit und auch die Wis­sen­schaft sei meist gekauft oder poli­tisch instrumentalisiert.

Ohne zu leug­nen, dass ich mit gro­ßer Sor­ge sehe, in welch hohem Maße wis­sen­schaft­li­che Ein­rich­tun­gen von Wirt­schafts­un­ter­neh­men finan­ziert wer­den (z. B. an der Ber­li­ner TU ein Lehr­stuhl für Ethik in der Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie von Face­book), bleibt doch fest­zu­hal­ten, dass wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se und Ein­sich­ten unver­zicht­bar sind, wenn es dar­um geht, mit den Her­aus­for­de­run­gen der Gegen­wart und Zukunft klar zu kom­men. Es gibt zu den­ken, dass die Coro­na-Pan­de­mie ziem­lich genau so ver­läuft, wie von Wis­sen­schaft­lern pro­gnos­ti­ziert. Das legt zumin­dest den Ver­dacht nahe, dass Wis­sen­schaft selbst in Fake-News-Zei­ten noch immer über die Fähig­keit ver­fügt, zutref­fen­de Sät­ze über Tat­be­stän­de der fak­ti­schen Welt aus­zu­spre­chen und auf deren Grund­la­ge ver­läss­li­che Vor­her­sa­gen zu tref­fen. Und wenn es dabei zu unter­schied­li­chen Aus­sa­gen und Sicht­wei­sen kommt, die von der Sci­en­ti­fic Com­mu­ni­ty glei­cher­ma­ßen aner­kannt sind, dann ist das ein Indiz dafür, dass wirk­lich der Wil­le zur Wahr­heit und nicht der Wil­le zu Macht und Pro­fit am Wer­ke ist. Ganz im Sin­ne von Karl Pop­per, der die Fal­si­fi­ka­ti­ons­fä­hig­keit wis­sen­schaft­li­cher Aus­sa­gen zu einem Qua­li­täts­merk­mal der Wis­sen­schaft­lich­keit erhob.

Unter die­ser Vor­aus­set­zung ist wis­sen­schaft­li­che Wahr­heit mög­lich – mehr noch: Wir tun gut dar­an, nach wis­sen­schaft­lich ver­bürg­ter Wahr­heit zu fra­gen und bei unse­rem Han­deln Maß an ihr zu neh­men. Jeden­falls zeigt das Vor­ge­hen gegen die Aus­wei­tung von Covid-19, dass es gut ist, wenn Regie­ren­de der Exper­ti­se der Wis­sen­schaft Gehör schen­ken – aller­dings soll­ten wir uns davor hüten, nur auf einen Wis­sen­schafts­zweig (wie der­zeit die Viro­lo­gie) zu hören, wie über­all im Leben, liegt die Wahr­heit in der Viel­falt der Wis­sen­schaf­ten. Eine wich­ti­ge Lek­ti­on dar­aus ist, genau das auch im Blick auf Kli­ma­wan­del, Arten­ster­ben und CO2-Emis­sio­nen zu tun – um nur ein paar Bei­spie­le zu nennen.

14. Weisheit trägt weiter als Moralität

Coro­na stellt unser Mind­set in Fra­ge: die Wei­se, wie wir die Welt sehen, die Welt ein­rich­ten, die Welt bewer­ten. Auch unse­re Ethik ist tan­giert. Bis vor Kur­zem taten vie­le Men­schen so, als kenn­ten sie kei­ne höhe­ren Wer­te denn Rei­se- und Kon­sum­frei­heit, mate­ri­el­len Wohl­stand oder öko­no­mi­schen Pro­fit. Mit einem Schlag hat sich das geän­dert. Plötz­lich haben Sicher­heit und Gesund­heit die Spit­ze der Wer­te­py­ra­mi­de erobert. Und in ihrem Gefol­ge das, was die­se Zie­le erreich­bar macht: Zusam­men­halt, Soli­da­ri­tät, Koope­ra­ti­on. Es ist erstaun­lich, wie schnell Wer­te auf- und abge­wer­tet wer­den. Von öko­no­mi­schen Wer­ten kann­te man das ja – aber bei mora­li­schen Wer­ten neig­te man dazu, ihnen eine län­ge­re Halb­wert­zeit beizumessen.

Soll damit gesagt sein, dass Coro­na leis­tet, was Fried­rich Nietz­sche eine »Umwer­tung aller Wer­te« nann­te? Nein, damit soll nur gesagt sein, dass man sich auf Wer­te nicht ver­las­sen kann. Wert hat das, was Men­schen wol­len. Ändert sich der Wil­le des Men­schen, ändern sich sei­ne Wer­te. Wenn im Augen­blick alle nur den Wunsch haben, gesund zu blei­ben oder das Gesund­heits­sys­tem zu sta­bi­li­sie­ren, damit ihre Lie­ben im Krank­heits­fall ver­sorgt wer­den kön­nen, dann ver­lie­ren ande­re Wer­te wie Rei­se- und Ver­samm­lungs­frei­heit auto­ma­tisch ihr Gewicht. Das ist ein nor­ma­ler Vor­gang, der aller­dings nicht jedem schmeckt. Denn immer fin­den sich Mora­lis­ten, die umge­hend Beden­ken vor­tra­gen, wenn die Wer­te, von denen sie mei­nen, dass ande­re sie wol­len sol­len, nicht die Wert­schät­zung erhal­ten, die sie für die­se Wer­te for­dern – die bei­spiels­wei­se dar­über lamen­tie­ren, dass die brei­te Mas­se ohne Wider­stand dar­auf ver­zich­tet, ihre Frei­heits­rech­te ein­zu­for­dern und sich dem öffent­li­chen Regle­ment zu widersetzen.

Es ist eine alte Geschich­te: Mora­lis­ten nei­gen dazu, die Welt nach Wer­ten zu bemes­sen, die nicht unbe­dingt die Wer­te derer sind, die mehr­heit­lich die Wer­te set­zen. Wenn sie gleich­wohl an ihren – meist schö­nen und edlen – Wer­ten fest­hal­ten, eig­net dem etwas Heroi­sches, was aller Ehren wert ist. Nur, in Kri­sen­zei­ten wie die­sen hilft kein Hero­is­mus, son­dern eher ein ethi­scher Prag­ma­tis­mus, der weni­ger dar­an Maß nimmt, was wir wol­len – oder wol­len sol­len –, son­dern dar­an, was ist. Nicht am Wil­len des Men­schen, son­dern am Sein der Welt. Das könn­te die Lek­ti­on von Coro­na in Fra­gen der Ethik sein: nicht, dass wir neue Wer­te brau­chen, son­dern dass wir für unser Han­deln nach einem ande­ren, ver­läss­li­che­ren Maß­stab Aus­schau hal­ten. Nen­nen wir ihn pro­be­wei­se das Leben oder die Natur.

Das Leben folgt eini­gen ein­fa­chen aber fun­da­men­ta­len Grund­prin­zi­pi­en. Es organ­siert sich in Sys­te­men, die ihrer­seits dar­auf aus­ge­legt sind, mit sich selbst und ihrem öko­lo­gi­schen Ambi­en­te in einem stim­mi­gen, wohl­aus­ta­rier­ten Gleich­ge­wicht zu sein – ein Zustand, den die alten Grie­chen har­monía nann­ten und den sämt­li­che indi­ge­nen Völ­ker eben­so wie die tra­di­tio­nel­len Gesell­schaf­ten Asi­ens als Maß aller Din­ge kann­ten und wür­dig­ten. Har­mo­nie bedeu­tet dabei nicht ein­tö­ni­ge Uni­for­mi­tät oder span­nungs­lo­ses Neben­ein­an­der. Har­mo­nie ist ein Zustand leben­di­ger Hoch­span­nung, in dem vie­ler­lei Unter­schied­li­ches so mit­ein­an­der inter­agiert, dass es sich in ein stim­mi­ges Gan­zes fügt. Die­sem Grund­prin­zip des Lebens auch in den Belan­gen der mensch­li­chen Welt zu fol­gen, ist nach grie­chi­schem Ver­ständ­nis eine Tugend – nicht irgend­ei­ne Tugend, son­dern die Tugend, die aus­zu­üben die Meis­ter­schaft des mensch­li­chen Lebens ist. Die Grie­chen nann­ten sie sophía – Weisheit.

Weis­heit ist die Qua­li­tät des Han­delns, die gefragt ist, wenn die Wer­te sich ver­flüch­ti­gen. Weis­heit näm­lich nimmt nicht dar­an Maß, was Men­schen wol­len – bzw. wovon Men­schen behaup­ten, dass ande­re es wol­len sol­len. Sie lei­tet sich her von dem ein­fa­chen Grund­prin­zip des Lebens, das wis­sen­schaft­lich bestä­tigt ist und von jeder­mann erfah­ren wer­den kann: Gut ist alles, was dem leben­di­gen Gleich­ge­wicht des Lebens dient – der Gesund­heit des Lei­bes eben­so wie der Gesund­heit unse­rer sozia­len und öko­lo­gi­schen Systeme.

Wir brau­chen jetzt kei­ne lan­gen ethi­schen Debat­ten dar­über zu füh­ren, wel­cher Ethik wir den Vor­zug geben wol­len. Die Fra­ge ist längst ent­schie­den. Im Umgang mit Coro­na rin­gen wir um wei­se Lösun­gen: Lösun­gen, die den Zusam­men­bruch unse­rer poli­ti­schen, sozia­len und öko­no­mi­schen Sys­te­me ver­hin­dern sol­len. Vie­ler­orts scheint sich die Erkennt­nis durch­ge­setzt zu haben, dass es jetzt allem vor­an dar­um gehen muss, die aus dem Gleich­ge­wicht gera­te­ne Welt wie­der ins rech­te Lot zu brin­gen. Das aber wird durch mora­li­sche Impe­ra­ti­ve und Wer­te nicht gelin­gen, son­dern nur durch ein wei­ses Han­deln, das bedäch­tig, vor­sich­tig und acht­sam die fak­ti­schen Men­schen und ihre Ein­rich­tun­gen in ein neu­es gesell­schaft­li­ches Gefü­ge einstimmt.

 15. Wir brauchen eine neue Religion

Was kön­nen wir einer Pan­de­mie ent­ge­gen­set­zen? – Unse­re Öko­no­mie? Nein, die geht selbst in die Knie. – Unse­re digi­ta­le, intel­li­gen­te Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie, die uns zuletzt Unsterb­lich­keit in Aus­sicht stell­te? Offen­bar nicht, um sie ist es seit dem Aus­bruch von Coro­na plötz­lich still gewor­den; auch ist sie nicht da, wo man sie gern gese­hen hät­te: in der ers­ten Rei­he der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung. – Dann bleibt wohl nur die Wis­sen­schaft? Ja, aber die Wis­sen­schaft braucht eine Wei­le, bis mit ihrer Hil­fe Impf­stof­fe und Medi­ka­men­te ent­wi­ckelt wer­den kön­nen. Und bis dahin?

In frü­he­ren Zei­ten hät­ten sich die Men­schen aller Völ­ker und Kul­tu­ren in einer sol­chen Situa­ti­on in die Arme ihrer Reli­gi­on gewor­fen. Bitt- und Buß­pro­zes­sio­nen wären durch die Städ­te gezo­gen, Got­tes­diens­te hät­ten allent­hal­ben Gläu­bi­ge ver­sam­melt. Die­se Zei­ten aber sind vor­bei. Die Got­tes­häu­ser ste­hen leer – man ver­traut eher auf die War­nun­gen der Wis­sen­schaft­ler als auf das ret­ten­de Ein­grei­fen Got­tes. Selbst wenn es kein Ver­samm­lungs­ver­bot gäbe, wür­den die Kir­chen wohl eher nicht über­quel­len. Wer es bis­lang noch nicht wahr­ha­ben woll­te, fin­det hier den ein­drucks­vol­len Nach­weis dafür, wie Recht Fried­rich Nietz­sche hat­te, als er vor 140 Jah­ren notier­te: »Gott ist tot. Und wir haben ihn getö­tet.« Viel­leicht sind wir hier bei dem his­to­ri­schen Allein­stel­lungs­merk­mal der Coro­na-Pan­de­mie. Es ist nicht nur die ers­te glo­ba­le Seu­che, son­dern auch die ers­te Seu­che in der Zeit nach dem Tode Got­tes. Und da lie­gen Pro­blem und Chance.

Das Pro­blem besteht dar­in, dass mit der ange­stamm­ten Reli­gi­on dem Men­schen der Moder­ne die Mög­lich­keit ver­lo­ren gegan­gen ist, eine geis­ti­ge Hand­ha­be für den Umgang mit der Pan­de­mie zu fin­den: ein geis­ti­ges Instru­men­ta­ri­um, das ihm erlaub­te, irgend­ei­nen Sinn in dem zu fin­den, was gera­de geschieht. Ohne die­ses Instru­men­ta­ri­um droht die Gefahr, ob der Wucht der Seu­che zu ver­zwei­feln, weil all das, mit des­sen Hil­fe man bis­lang das Sinn­va­ku­um kaschie­ren konn­te – Enter­tain­ment, Kon­sum etc. –, porös wird; und weil man dann nichts mehr ent­de­cken kann, wor­aus Trost, Ermu­ti­gung und Ener­gie wach­sen könn­ten. Gera­de in Kri­sen­zei­ten brau­chen wir geis­ti­ge Nah­rung, an der wir uns begeis­tern kön­nen: Sinn­per­spek­ti­ven, Visio­nen, gute Gedan­ken, die uns moti­vie­ren durch­zu­hal­ten und nach vor­ne zu schauen.

Damit kom­men wir zur Chan­ce, die infol­ge von Coro­na erkenn­bar wird: »Nah ist und schwer zu fas­sen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Ret­ten­de auch«. So schrieb es der just vor 250 Jah­ren (am 20. März 1770) gebo­re­ne Dich­ter Fried­rich Höl­der­lin. Der ret­ten­de »Gott«, von dem er schreibt, ist »schwer zu fas­sen«. Wir ken­nen sei­nen Namen nicht. Nur so viel ist gewiss, dass er ganz anders sein wird als all die alten Göt­ter, deren Häu­ser nun­mehr leer ste­hen. Viel­leicht ist er auch gar kein Gott, son­dern viel­mehr ein gött­li­cher Geist, der uns zu einem Neu­an­fang begeis­tern kann. So wie es in der Mensch­heits­ge­schich­te immer schon Neu­an­fän­ge gab, bei denen plötz­lich, wie aus dem Nichts, ein bis dato unbe­kann­ter Geist zu wehen begann, die Men­schen ergriff und sie dazu beweg­te, neue Wege ein­zu­schla­gen. Oft war damit – wie etwa in der euro­päi­schen Renais­sance – eine außer­or­dent­li­che kul­tu­rel­le Blü­te ver­bun­den. Meis­tens fan­den die vom Geist beweg­ten Men­schen auf eine neue Wei­se zusam­men und rück­ten enger aneinander.

Könn­te es sein, dass eben dafür die Zeit gekom­men ist: für eine neue Reli­gi­on? Nicht im Sin­ne der alten Reli­gio­nen, son­dern im ursprüng­li­chen Sin­ne des latei­ni­schen Wor­tes reli­gio, das (ver­mut­lich) vom Ver­bum reli­ga­re (= rück­bin­den) abstammt: eine neue Rück­bin­dung an das leben­di­ge Sein die­ser Welt – an die Natur, die wir so lan­ge Zeit miss­ach­tet haben; an das Leben, des­sen Wert und Wun­der uns nun wie­der son­nen­hell vor Augen ste­hen; anein­an­der, da wir die­ser Tage begrei­fen müs­sen, dass Mensch­sein nur gemein­schaft­lich gelin­gen kann; eine Rück­bin­dung an den leben­di­gen Geist der Leben­dig­keit.

Viel­leicht ist dies am Ende die wich­tigs­te und dring­lichs­te Lek­ti­on, die uns Coro­na lehrt: Wir brau­chen eine neue reli­gio an das Sein die­ser Welt – eine Hin­wen­dung zur leben­di­gen Natur, die uns ein­lädt, deren Hei­lig­keit zu erken­nen und unse­re Zuge­hö­rig­keit zu ihr begrei­fen. Es geht nicht um neue Dog­men, Gebo­te, Kul­te oder Kult­ge­mein­schaf­ten. Es geht ein­fach nur dar­um, uns wie­der ein­zu­las­sen auf die Welt, in der wir leben: mit ihren uner­mess­li­chen Freu­den und ihren beängs­ti­gen­den Schre­cken, mit ihrer Schön­heit und ihrer Tragik.

Coro­na lehrt, dass nichts für unse­ren Fort­be­stand so gefähr­lich ist, wie die völ­li­ge Bin­dungs­lo­sig­keit und Igno­ranz von Men­schen, die glau­ben, nichts und nie­mand gehe sie etwas an; die sich über alles stel­len, was um sie her­um geschieht. In nichts ande­rem mani­fes­tiert sich der »Tod Got­tes« mehr als in die­ser Hal­tung des »Betrifft mich nicht«. Die neue Reli­gi­on, die uns nicht aus, aber in die­ser Kri­se ret­ten kann, ist die Hin­wen­dung zu Mensch und Welt: ein begeis­ter­tes Ja zum Leben. In sei­ner reifs­ten Form ist das nichts ande­res als Lie­be – eine Lie­be, die so groß ist, dass sogar der Tod vor ihr verblasst.

Zum Schluss: Friedrich Hölderlin, Ermunterung (2. Fassung)

Echo des Him­mels! hei­li­ges Herz! war­um,
War­um ver­stummst du unter den Leben­den,
Schläfst, frei­es! von den Göt­ter­lo­sen
Ewig hin­ab in die Nacht ver­wie­sen?

Wacht denn, wie vor­mals, nim­mer des Aethers Licht?
Und blüht die alte Mut­ter, die Erde nicht?
Und übt der Geist nicht da und dort, nicht
Lächelnd die Lie­be das Recht noch immer?

Nur du nicht mehr! doch mah­nen die Himm­li­schen,
Und stil­le­bil­dend weht, wie ein kahl Gefild,
Der Othem der Natur dich an, der
Alle­ser­hei­tern­de, see­len­vol­le.

O Hoff­nung! bald, bald sin­gen die Hai­ne nicht
Des Lebens Lob allein, denn es ist die Zeit,
Daß aus der Men­schen Mun­de sie, die
Schö­ne­re See­le, sich neu­ver­kün­det,

Dann lie­ben­der im Bun­de mit Sterb­li­chen
Das Ele­ment sich bil­det, und dann erst reich,
Bei from­mer Kin­der Dank, der Erde
Brust, die unend­li­che, sich ent­fal­tet

Und uns­re Tage wie­der, wie Blu­men, sind,
Wo sie, des Him­mels Son­ne, sich aus­ge­teilt
Im stil­len Wech­sel sieht und wie­der
Froh in den Fro­hen das Licht sich fin­det,

Und er, der sprach­los wal­tet und unbe­kannt
Zukünf­ti­ges berei­tet, der Gott, der Geist
Im Men­schen­wort, am schö­nen Tage
Kom­men­den Jah­res, wie einst, sich ausspricht.