Frauen und Kinder zuerst …

Frau­en und Kin­der zuerst!
Was tun, wenn es nicht mög­lich ist, alle in Sicher­heit zu bringen?
Die Bil­der aus Ido­me­ni sind uner­träg­lich: Ver­zwei­fel­te Men­schen im Schlamm, Not, Elend, wei­nen­de Kin­der. So kann es nicht bleiben.
Aber was tun? Maze­do­ni­en gibt sich hart, Grie­chen­land läuft über. Die einen wol­len nicht mehr, die ande­ren kön­nen nicht mehr. Und täg­lich stran­den mehr Men­schen vor dem Zaun.
Es ist ein Dilem­ma: Kei­nen durch­las­sen geht nicht – alle durch­las­sen geht auch nicht. Also lässt man eini­ge durch; aber wann, wie vie­le und vor allem: wen. Dafür braucht man ein prak­ti­ka­bles Ver­fah­ren. Und wich­ti­ger noch: Man braucht ein ethisch ver­tret­ba­res Ver­fah­ren. Gibt es so etwas?
Wenn wir nur nicht so geschichts­ver­ges­sen wären, wüss­ten wir: Natür­lich gibt es das. Es gibt ein bewähr­tes Ethos, das über lan­ge Zeit in der See­fahrt zur Anwen­dung kam, wenn es dar­um ging, in höchs­ter Not Men­schen­le­ben zu ret­ten. Auf die For­mel gebracht wur­de es von Wil­liam Dou­glas O’Connor, und es lau­tet: „Frau­en und Kin­der zuerst.“ Berühmt wur­de der Satz beim Unter­gang der Tita­nic, als der Kapi­tän die Order gab: „Frau­en und Kin­der in die Boo­te und die­se ablassen“.
Hier geht es nicht nur um Gen­tle­man-Beha­viour. Die Regel ist auch nicht ein­fach nur ein spä­ter Nach­hall alt­eu­ro­päi­scher Adels­ethik. Sie folgt einem höchst ein­fa­chen und ratio­na­len Prin­zip: Wenn Leben auf dem Spiel steht – im Zwei­fel für die Zukunft. Die Zukunft aber sind zuerst die Kin­der, dann die Frau­en. Män­ner sind, so schmerz­haft das zu sagen ist, für den Fort­be­stand des Lebens nicht so wich­tig. Außer­dem sind Kin­der auf die Mut­ter stär­ker ange­wie­sen als auf den Vater. Also: Frau­en und Kin­der zuerst.
Gewiss ver­stößt die For­mel gegen das Gleich­heits­ge­bot der Men­schen­rechts-Char­ta. Wenn es aber dar­um geht, das Schlimms­te zu ver­mei­den, dürf­te es nicht unethisch sein, sie zur Anwen­dung zu brin­gen. Auch da, wo es nur im über­tra­ge­nen Sin­ne um Schiff­brü­chi­ge geht. Auch in Idomeni.
Es wäre viel damit gehol­fen, wenn wir die Maze­do­nen bei ihrer Ehre und ihrem Stolz packen und dazu brin­gen könn­ten, die Gren­ze für Frau­en und Kin­der zu öff­nen. Und die Män­ner auf der ande­ren Sei­te des Zauns, hät­ten die Chan­ce, sich als ehren­vol­le Her­ren zu erwei­sen. Das klingt ein biss­chen alt­mo­disch, gewiss. Doch Alt­mo­di­sches ist oft ursprüng­lich und echt. Vor allem klug. Und Klug­heit ist hier vonnöten.