Es ist Krieg

Es ist Krieg. Werden wir dem gewachsen sein?
Es ist Krieg. Nie hätte ich gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem ich diese drei Worte in meinen Computer schreiben muss. Nun starren sie mich an. Sie schneiden ins Herz. Es krampft sich zusammen. Ich denke an meine Kinder. Tränen treten in meine Augen. Es ist Krieg. Und zwar hier.
Als ich jung war, kursierte der Satz: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“ Jetzt muss ich mir das nicht mehr vorstellen. Es ist Realität. Nur so ganz anders, als wir damals meinten. Keiner hier geht zu diesem Krieg. Die Menschen sind ins Stadion gegangen, ins Konzert, ins Café, ins Restaurant. Dorthin ist der Krieg gekommen – und zeigt seine barbarischste Seite. Unschuldige Tote, Frauen, Kinder, Jugendliche – Menschen wie du und ich. Ich weine um sie alle.
Bei Lichte besehen ist das Wort „Krieg“ ein Euphemismus für das, was in Paris geschehen ist. Denn Krieg war in Europa einmal ein GEschehen, bei dem es Recht und Regeln gab. Die islamistischen Terroristen von Paris kennen nichts davon: sie kennen keine Werte und kein Recht: Sie kennen nur ihren religiösen Wahn. Sie verdienen den Namen „Mensch“ nicht, denn sie sind die Schlächter der Humanität, sie sind Unmenschen.
Es ist ein Krieg der neuen Art: die Feinde sind feige und unsichtbar. Es gibt keine Unterscheidung von Zivilist und Kombattant. Dieser Krieg gilt nicht einer Nation oder einem Volk, sondern er gilt unserer Kultur. Die Ziele der Barbaren waren gut gewählt: ein Fußball-Stadion, der Ort des Spiels, das wie nichts sonst die zivilisierten Völker vereint; ein Konzertsaal, der Ort, an dem (Heavy Metal hin oder her) die schönste Blüte europäischer Kultur zelebriert wird – die Musik; Cafés, Restaurants, Orte der Begegnung, der Liebe, der Kultur.
Der Krieg betrifft uns alle: Er gilt allem, was uns heilig ist und was das Leben adelt: der Kunst, der Kultur, dem Spiel, unseren Werten und Tugenden. Aber wissen wir selbst noch, welches diese Tugenden und Werte sind? Sie wir bereit für sie zu kämpfen? Sind wir bereit, uns um ihretwillen für unser Land und unser Europa aufs Spiel zu setzen? Sind wir bereit, Einbußen an Wohlstand und Freiheit in Kauf zu nehmen, um den Barbaren zu wehren? Sind wir bereit, unseren Eigensinn zu zähmen und einen europäischen Gemeinsinn zu entwickeln?
Es steht uns nicht frei, zu diesem Krieg zu gehen oder nicht: Er ist da, er rückt uns näher. Und wir sind in keiner Weise darauf vorbereitet. Nach den verheerenden Kriegen des 20. Jahrhunderts sind wir pazifistisch erzogen und träumen von gewaltfreier Kommunikation. Wir haben den Wehrdienst abgeschafft. Wehrhaftigkeit ist ein Wort, das im Wortschatz der Jüngeren nicht mehr vorkommt. Wir stehen dem Terror machtlos gegenüber. Ob unsere Politiker der Lage gewachsen sein werden – es muss sich weisen.
Wir müssen diesen Krieg gewinnen. Ohne wenn und aber. Um der Menschheit und um Gottes Willen müssen wir diesen Krieg gewinnen, um unserer Kinder und unserer Ahnen willen, die geblutet und gelitten haben, um dieses Europa zu schaffen. Aber wir werden diesen Krieg nicht mit immer mehr Sicherheitskräften und neuartigen Waffen gewinnen. Wir werden diesen Krieg nur gewinnen, wenn wir dem Islamismus nur wehren, wenn wir ihm das entgegenschmettern, was er nicht kennt, uns aber groß und stark macht: Menschlickeit, Gerechtigkeit, Liebe zum Leben, Sinn für Schönheit, Wahrhaftigkeit, Solidarität, Mitgefühl, Vernunft, Anstand und Disziplin.
Dafür müssen wir uns ändern. Das ist am Ende die Lektion der Terrornacht von Paris. Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wir müssen begreifen, dass das Leben mehr ist als Entertainment, Internet, Shopping und Geld. All das, worum sich das Leben so vieler dreht, wird vor dem Hintergrund des Krieges, der zu uns gekommen ist, vollkommen belanglos. Es ist „nice to have“, aber es ist unwichtig. Wichtig ist der Geist Europas, seine Seele, seine Kultur. Sie gilt es zu verteidigen, denn ohne sie sind all die „nice to haves“ nichts wert. Die Barbarei lässt sich nicht nur mit Geist bezwingen. Die Stunde dafür ist da. Wir können nicht mehr ausweichen. Wir müssen unser Leben ändern. Unsere Liebe zum Leben zwingt uns zum Kampf.
(Christoph Quarch, Sa. 14.11.2015 – 10 Uhr)