Das große Trotzdem. Lasst uns Weihnachten feiern: das Fest der Menschenliebe

„Töten könnt ihr, aber nicht leben­dig machen, wenn es die Lie­be nicht tut, die nicht von euch ist, die ihr nicht erfun­den…” (Fried­rich Höl­der­lin – Hyperion)
Nun ist der Ter­ror end­gül­tig in Deutsch­land ange­kom­men. Und er zeigt sei­ne abscheu­lichs­te Sei­te: dort, wo er völ­lig unbe­tei­lig­te Men­schen in einer harm­lo­sen, fried­li­chen und lie­bens­wer­ten Situa­ti­on trifft. Eine Tat wie die­se ist durch nichts zu recht­fer­ti­gen. Sie ist durch nichts zu ent­schul­di­gen. Sie ist auch auf kei­ne Wei­se kau­sal her­leit­bar aus irgend­wel­chen poli­ti­schen oder psy­cho­lo­gi­schen Ver­flech­tun­gen. Der Täter hat sich frei dafür ent­schie­den, allem Mensch­li­chen zu ent­sa­gen und zum Unmen­schen zu wer­den. Dafür muss er sich ver­ant­wor­ten – vor den Opfern, deren Ange­hö­ri­gen, sei­nen Rich­tern und sei­nem Schöpfer.
Es wird immer wie­der gesagt und es ist wahr: Vor dem Ter­ror kön­nen wir uns nicht hun­dert­pro­zen­tig schüt­zen. Er wird immer Mit­tel und Wege fin­den zu mor­den und zu pei­ni­gen. Des­halb wer­den wir mehr Sicher­heit brau­chen, mehr Poli­zei und mehr Wach­sam­keit. Aber damit allein wer­den wir der Bar­ba­rei nicht bei­kom­men. Es gibt nur eine Ant­wort: uns auf das besin­nen, was uns stark macht – auf unse­re Wer­te, unse­re Kul­tur, unser Vertrauen.
Es geht jetzt um das gro­ße Trotz­dem: trotz­dem Ja zum Leben sagen, trotz­dem den Men­schen ver­trau­en, trotz­dem zum Weih­nachts­markt gehen. Und noch mehr geht es dar­um, das War­um die­ses Trotz­dem zu ver­ste­hen: Weil es hier dar­um geht, gegen die Unmensch­lich­keit eine Kul­tur der Mensch­lich­keit zu ver­tei­di­gen – eine Kul­tur, die aus der Bar­ba­rei zwei­er Welt­krie­ge her­vor­ge­gan­gen ist und die auf einem guten Wege war, sich zu einer Kul­tur des Frie­dens, der Lie­be, des Ver­trau­ens und der Mensch­lich­keit zu ent­wi­ckeln. Die­se Kul­tur dür­fen wir durch die die­se Bar­ba­rei nicht zer­stö­ren las­sen. Es hie­ße der euro­päi­schen Geschich­te und ihrer Opfer spot­ten, wenn wir uns dem Sog der Bar­ba­rei anheim­gä­ben und in die dump­fen Mecha­nis­men von Gewalt und Gegen­ge­walt, Res­sen­ti­ment und Hass zurückfielen.
Das Gegen­teil tut Not: Der Angriff galt dem Weih­nachts­fest – dem Fest der Lie­be. Als sol­ches soll­ten wir es jetzt dop­pelt bewusst und inbrüns­tig fei­ern. Dafür muss man kein Christ sein, dafür reicht es, ein füh­len­der Mensch zu sein. Wer­den wir uns des­sen bewusst, dass unse­re euro­päi­sche Kul­tur in der Lie­be zum Leben grün­det und nicht in Hass und Gewalt! Rücken wir zusam­men, rei­chen wir ein­an­der die Hand, erin­nern wir uns alles des­sen, was gut und kost­bar ist in unse­rem Land und unse­rer Welt: die Men­schen­lie­be, die Schön­heit, die Gesel­lig­keit eines Weih­nachts­mark­tes. Fei­ern wir dies alles umso bewuss­ter und herz­li­cher – was auch bedeu­tet, das Fal­sche dar­an wie Alko­hol­ex­zess und Kon­sum­rausch hin­ter das Wesent­li­che zurück­tre­ten zu lassen.
Der Schmerz über die Toten von Ber­lin kann durch nichts gelin­dert wer­den. Aber es könn­te doch mög­lich sein, die­sem sinn­lo­sen Ster­ben einen Hauch von Sinn zu geben: den Sinn, dass am 19. Dezem­ber 2016 ein neu­er Geist in Deutsch­land Raum zu grei­fen begon­nen hat – ein Geist der Mensch­lich­keit und Zusam­men­ge­hö­rig­keit, der sich abkehrt von all dem, was mut­maß­lich in den nächs­ten Tagen gesche­hen wird: den Ver­su­chen, das Gesche­he­ne für die eige­nen poli­ti­schen Inter­es­sen nutz­bar zu machen; den Hass­pa­ro­len der Neo­fa­schis­ten; dem ängst­li­chen Aktionismus.
Das alles ist jetzt fehl am Plat­ze. Jetzt heißt es: Weih­nach­ten fei­ern – das Fest der gren­zen­lo­sen Lie­be, das Fest der ein­zi­gen Kraft auf Erden, die stark genug ist, den Ter­ror zu besie­gen, das Fest des Fun­da­men­tes unse­rer Kultur.