angedacht.… BLEIBEN

Jah­re gehen, Jah­re kom­men. Unauf­halt­sam fließt die Zeit dahin. Oft sind wir uns des­sen nicht bewusst. Erst die Schwel­le einer Neu­jahrs­nacht ruft uns den Fluss des Wer­dens ins Bewusst­sein. Und das ist gut so. Denn die Zei­ten­schwel­le lädt uns ein zum Inne­hal­ten. Sie lädt uns ein, nach vorn zu bli­cken und zu fra­gen, was sich denn wan­deln soll und wan­deln muss. Und sie lädt ein, sich des­sen zu besin­nen, was blei­ben darf – und blei­ben muss.
Gemein­hin liegt der Blick nach vorn uns näher. Wir fas­sen Vor­sät­ze und pei­len Zie­le an. Dabei jedoch ver­ges­sen wir, was jeden Wan­del, jedes Wer­den erst ermög­licht: das­je­ni­ge, was bleibt, was trägt, was hält; das­je­ni­ge, was erst die Brü­cke schlägt von ges­tern über jetzt nach mor­gen; das­je­ni­ge, wor­auf wir uns ver­las­sen kön­nen – oder doch glau­ben, dass es uns die Treue hält: den Leib, das Leben, unse­re Liebs­ten – und auch die Erde, die doch aller­erst den Raum gewährt, in dem die Zeit sich zuträgt…
„Bleibt der Erde treu!“, ruft Fried­rich Nietz­sche sei­nen Lesern zu. Ja, mehr noch: „Ich beschwö­re euch, mei­ne Brü­der (Schwes­tern waren nicht so sei­ne Sache… L), bleibt der Erde treu!“ Die­sen Ruf möch­te ich an die­ser Jah­res­schwel­le wei­ter­sa­gen. Bleibt treu! Denkt nicht nur an den Wan­del und die Ver­än­de­rung. So nötig sie sind und so heil­sam sie sein kön­nen – zum Segen gerei­chen sie nur dem, der auch den Mut zum Blei­ben auf­bringt: den Mut, bei dem zu blei­ben, was ihn trägt und was sich sei­ner Macht ent­zieht. Den Wan­del zu gestal­ten, glau­ben wir, lie­ge in unse­rer Hand. Dies gibt uns das Gefühl der Macht. Was bleibt und trägt jedoch, ist uns geschenkt. Wir kön­nen es nur dank­bar annehmen.
Die Welt ver­än­dert sich rasant. Gera­de des­halb soll­ten wir uns in die­sen Tagen dem zuwen­den, was bleibt: den Men­schen, die uns treu ver­bun­den sind; den Wer­ten und den Idea­len, die uns die Rich­tung wei­sen; dem Geist, der uns beflü­gelt; dem gro­ßen Leben der Natur, die so fra­gil und doch so mäch­tig ist; der Schön­heit, die die See­le nährt; unse­rer Kul­tur, die unse­re Iden­ti­tät erhält.
Das neue Jahr wird man­chen Wan­del brin­gen – doch gera­de des­halb wei­he ich es dem, was blei­ben muss und blei­ben darf.
Ich wün­sche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr. Möge es ein segens­rei­ches Jahr für sie sein. Das wünscht Ihnen herz­lich, Ihr
Chris­toph Quarch